Vor einem Jahr war ich noch ein Hüter der reinen Lehre: Ein wirksamer Workshop oder eine begeisternde Konferenz, das gibt es nur in einem physischen Setting. Natürlich arbeiteten wir in unserem Kompetenzzentrum für Konferenzen & Moderation damals schon stark virtuell. Aber eine Konferenz oder ein Workshop in der realen Welt war das einzig Wahre.
Auch heute gibt es für mich Situationen, in denen ich mich für ein physisches Format starkmache. Dort, wo das Atmosphärische oder Zwischenmenschliche entscheidend mitspielt und es um heikle Themen geht, da kann das Arbeiten im gleichen Raum erfolgsentscheidend sein. Aber ich bin fasziniert von den Möglichkeiten, die sich mir in den vergangenen Monaten bei der Begleitung von virtuellen Formaten eröffnet haben. Wer es richtig angeht, der kann auch in diesem Setting viel erreichen – zum Teil sogar mehr als bei einem physischen Event. Entscheidend sind dabei die folgenden fünf Punkte:
1. Eine sorgfältig ausgestaltete Dramaturgie ist noch wichtiger
Die Aufmerksamkeitsspanne von Konferenzteilnehmenden ist online kürzer als offline, die Ablenkungen sind noch zahlreicher. Entsprechend müssen frontale Inputs so kurz(weilig) wie möglich sein – wir empfehlen Input-Referate von maximal 15 Minuten. Teilen Sie längere Inputs auf und schieben Sie Umfragen, Reflexionsaufgaben, Q&A-Sessions und kurze Gruppenarbeiten dazwischen. Auch Pausen und Networking-Sequenzen sind wichtige Bestandteile, die es richtig zu integrieren gilt.
Interaktions-Tools wie Mentimeter und Slido sowie Kollaborationstools wie Miro und Lucidchart sind wichtige Hilfsmittel, um Konferenzerlebnisse zu schaffen. Entscheiden Sie sich dabei pro Event für eine Technologie und nutzen Sie diese bewusst und sinnvoll. Denn jede Interaktion muss einen relevanten Mehrwert bieten, sonst wird sie schnell als störende Spielerei wahrgenommen.
2. Die passende Plattform für die konkreten Bedürfnisse
Natürlich ist die Auswahl des passenden Tools zentral. Wir haben viel ausprobiert und gemerkt: Wer eine pragmatische Lösung für bis zu zwei Stunden mit Plenum-Inputs, Breakout Sessions und kurzen Gruppenarbeiten sucht, ist mit Zoom gut bedient. Microsoft Teams hat derzeit noch keine Breakout-Funktion und ist darum eher ungeeignet. Für ein echtes Konferenzerlebnis im eigenen CI/CD, mit selbstgesteuertem Networking und einem Erlebnisfaktor, der auch mehrere Stunden hält, hat uns bisher keine Plattform überzeugt. Deshalb haben wir unsere eigene Plattform Vico entwickelt, die zudem auch noch die in Unternehmen häufig anzutreffenden hohen Datenschutz- und Sicherheitsanforderung erfüllt.
3. Vorbereitung, Vorbereitung, Vorbereitung
Ein Trugschluss ist die Erwartung, dass eine Online-Konferenz mit weniger Aufwand verbunden ist als ihre physischen Pendants. Hier lohnt sich ein Blick auf den ausführlichen Blogbeitrag meiner Kollegin Nadine Büchler, in dem sie Tipps zur Nutzung von Tools sowie zur Vorbereitung der Speaker und Teilnehmenden gibt.
4. Befähigung der Akteure
Ein häufig vernachlässigter Teil der Vorbereitung ist die Befähigung und Unterstützung der Speaker. Nach Hunderten von Stunden in Web-Konferenzen neigen viele zu einer falschen Sicherheit. Um sich in einer wichtigen virtuellen Konferenz souverän und wirksam zu bewegen, brauchen die Akteure ein auf die Situation zugeschnittenes Briefing und einen Testlauf. Die Speaker müssen verstehen, wie sie am besten wirken, was bei der virtuellen Präsentation wichtig ist, und wie interaktive Elemente im Kontext ihrer Präsentationen genutzt werden. Daneben gilt natürlich das gleiche Prinzip wie bei der physischen Konferenz: Wer in 15 Minuten einen bleibenden Eindruck hinterlassen möchte, hat besser eine sehr gute Storyline zur Hand.
5. Co-Moderation als neuer Standard
Bei der virtuellen Konferenz mit Tools wie Zoom gibt es zwei Moderations-Ebenen: eine inhaltliche Moderation und eine technische Moderation. Wir arbeiten daher als Standard mit einer Co-Moderation, bei der sich eine Person jeweils auf die technischen Aspekte wie Einspielen von Umfragen, Instruktionen zu Gruppenarbeiten etc. konzentrieren kann. Bei Input-Präsentationen behält eine Person zudem immer die Kommentarspalte im Auge und spielt dem Referenten im richtigen Moment Fragen zu. Bei unserer Konferenz-Plattform Vico wird ein grosser Teil der technischen Moderation durch eine intuitive Nutzerführung sowie in der Plattform eingespielte Wegleitungen ersetzt. Hier ist die technische Regie ebenso wichtig, spielt sich aber diskret im Hintergrund ab.
Ist die physische Konferenz tot?
Es braucht keine hellseherischen Fähigkeiten, um eine nachhaltige Verschiebung von physischen zu virtuellen Konferenzen vorauszusagen. Zeitersparnis, Gewohnheit, eine grössere Professionalisierung und die agilere Einsetzbarkeit machen virtuelle Formate zu einem neuen Standard. Andererseits werden physische Konferenzen eine wichtige Stellung behalten. Die umfassenderen Möglichkeiten im Erlebnisbereich und beim Beziehungsaufbau sind dabei diezentralen Stärken des physischen Zusammenseins. Als besonders vielversprechende Option sehe ich hybride Formate aus virtuellem Pre- und Post-Event in Kombination mit einem physischen Hauptanlass. Damit lassen sich extrem kraftvolle Interaktionsketten schaffen, die nachhaltig Wissen, Haltungen und Beziehungen verändern können.
Inquiries
Farner Consulting AG
Nils Rickert
Nils.Rickert@farner.ch
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