Der Aufbau einer Arbeitgebermarke ist kein 100-Meter-Sprint, sondern ein Marathon.

Datum

25/10/22

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Kaum ein Unternehmen kämpft heute nicht mit den Folgen des Fachkräftemangels. Wo die grössten Herausforderungen liegen und wie Unternehmen diesen wirksam begegnen, darauf geht Paul Henschel im persönlichen Gespräch ein. Als Topic Lead verstärkt Paul seit dem 1. Oktober 2022 das Employer-Branding-Team von Farner und wird das Angebot in diesem Bereich gezielt ausbauen.

Lieber Paul, Employer Branding ist in aller Munde. Warum wird das Thema gerade jetzt so heiss gehandelt?
Employer Branding und der strategische Aufbau einer Arbeitgebermarke sind wichtiger denn je. Das Thema an sich ist nicht neu. Die Wichtigkeit von Employer Branding ist aber erst in den letzten Jahren in vielen Unternehmen so richtig angekommen. Und dies ist für mich immer noch sehr überraschend, denn die Verschiebung der «Machtverhältnisse» zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmenden, also vom Arbeitgeber zum Arbeitnehmermarkt, entstand ja nicht über Nacht. Schon lange suchen nicht mehr die Unternehmen ihre Arbeitnehmenden aus, sondern die Bewerberinnen und Bewerber sitzen am längeren Hebel und entscheiden. Trotzdem wirken viele Unternehmen noch überrascht und überfordert.

«Es ist mittlerweile Alltag geworden, dass Unternehmen Aufträge mangels Kapazität nicht übernehmen können und so Marktanteile, Kunden und auch ihre eigenen Mitarbeitenden verlieren.»

Hinzu kommt, dass sich die Generation der Babyboomer vermehrt in den Ruhestand verabschiedet.  Der Fachkräftemangel, sowie die berechtigte Sorge um den Nachwuchs, zwingen immer mehr Unternehmen, in Employer-Branding-Massnahmen zu investieren und die Bindung zu ihren bestehenden Mitarbeitenden sowie den zukünftigen Talenten weiter auszubauen. Und es kommen weitere komplexe Anforderungen, wie die Veränderungen der Arbeitswelt, Globalisierung und Digitalisierung oder auch der Gender Shift in diversen gesellschaftlichen Bereichen, dazu. Die Liste der Aufzählungen könnte auch noch weitergeführt werden. All diese Veränderungen sollten für Unternehmen ein Brandbeschleuniger für Investitionen ins Employer Branding sein.

Und wie sehen deiner Meinung nach die aktuellen Employer-Branding-Umsetzungen der Unternehmen aus? Wie ist deine Sicht auf das Thema und den Schweizer Markt?
Wir stecken trotz der klaren Anzeichen auf Veränderung immer noch in den «Kinderschuhen», was die Ernsthaftigkeit in der Umsetzung im Employer Branding betrifft. Erschwerend hinzu kam die Corona Pandemie – die Unternehmen hatten «anderes zu tun» und verlagerten ihre Initiativen in die Bewältigung von wegfallenden Aufträgen, Schliessungen, Kurzarbeit, Budgetkürzungen & Co. Dies ist zum einen verständlich aber natürlich nicht langfristig gedacht.

Es geht im Employer Branding um Markenbildung, oder besser gesagt um Arbeitgebermarkenbildung und dies passiert ja nicht von heute auf morgen.

«Der Aufbau einer Arbeitgebermarke ist kein 100-Meter-Sprint, sondern ein Marathon.»

Mit einem Startpunkt der Arbeitgeberpositionierung, auch EVP (Employer Value Proposition) genannt, und einem Zielbild hin zur Arbeitgebermarke – hier fehlt es schon bei sehr vielen Unternehmen. Aber bis zum Ziel sind einige Pausen einzulegen, es gibt viele Zwischensprints, Täler müssen durchquert, Gipfel erklommen, viele Mitstreiterinnen und Mitstreiter überzeugt und mitgenommen werden. Genau wie bei einem Marathon benötigt dies eine gute Vorbereitung und Ernsthaftigkeit.

Danke für diese «sportliche» Anschauung auf das Thema. Jeder Anfang ist ja bekanntlich schwer. Was würdest du Unternehmen, die mit Employer Branding beginnen wollen, empfehlen?
Wie gesagt haben aktuell nur wenige Unternehmen den Aufbau einer Arbeitgebermarke als klaren Wettbewerbsvorteil verstanden und setzen diesen strategisch mit einem langfristigen Gedanken um. Unternehmen können sich durch eine starke Arbeitgebermarke einen enormen Wettbewerbsvorteil im nicht mehr wegzudiskutierenden «War for Talents» verschaffen. Die bisher praktizierenden Methoden in der Personalbeschaffung haben aber ausgedient.

«Post and Pray», also ein Stelleninserat veröffentlichen und hoffen, dass sich jemand bewirbt, funktionieren schon lange nicht mehr.

Genauso wenig wie der Obstkorb im Büro die Mitarbeiterbindung erhöht. Heutzutage bedarf es einfach mehr. Unternehmen müssen sich mehr einfallen lassen, um potenzielle Talente zu erreichen, auf sich aufmerksam zu machen und von sich als Arbeitgeber zu überzeugen. Dieser Wettbewerb um die besten Talente verlangt ein Umdenken und Unternehmen müssen den Aufbau und die Pflege ihrer Arbeitgebermarke vorantreiben.

«Die Fähigkeit, Talente mit dem richtigen «Culture Fit» zu gewinnen, zu halten und weiterzuentwickeln, wird in Zukunft massgeblich über Erfolg und Misserfolg von Unternehmen entscheiden.»

Was sind denn die Herausforderungen bei einem Employer-Branding-Projekt?
Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass viele Unternehmen das Thema und die Wichtigkeit verstanden haben, nur nicht wissen, wie sie beginnen sollen. Hinzu kommen oftmals wenige bis keine Ressourcen und die fehlenden Kompetenzen in diesem Bereich.

Auch höre ich oft, «wir brauchen nicht noch eine Marke, wir haben bereits eine.» Ja es stimmt, die Arbeitgebermarke ist ein integrierter Bestandteil der Unternehmensmarke und baut im Kern auf den Werten und der Identität auf. Aber eine starke Unternehmensmarke symbolisiert nicht zwangsläufig eine starke Arbeitgebermarke. Bei Unternehmen ohne wahrnehmbare Arbeitgebermarke wird die Arbeitgeberattraktivität meist mit den Produkten oder Dienstleistungen in Verbindung gebracht. Diese Wahrnehmung kann sowohl positiv als auch negativ sein, steht jedoch nicht in Beziehung zur Arbeitgeberqualität. Hier kann eine neutrale externe Partei, im Sinne einer Agentur, sehr gut unterstützen und die Richtung aufzeigen.

Hinzu kommt, dass Employer Branding oft noch als reine Aufgabe von Human Resources oder Corporate Communications gesehen wird. Die Geschäftsleitung ist genauso gefragt und muss vorangehen und das Thema treiben. Weiter ist Employer Branding nicht einfach nur ein Projekt mit einem Anfang und einem Ende, sondern muss strategisch verankert und langfristig gedacht werden.

Die aktuellen Herausforderungen für die Unternehmen sind so gross wie nie und die Komplexität nimmt zu. Sehr häufig wird Employer Branding aber immer noch als operatives Instrument im Recruiting gesehen, welches schnellstmöglich funktionieren und Bewerbungen generieren muss.

«Mit einfachen werblichen Mitteln und bunten Bildern gelingt es heutzutage nicht mehr auf dem Talentmarkt zu bestehen. Denn wenn alle vom Gleichen reden und zudem auch noch die gleichen Dinge kommunizieren, wer macht denn noch einen Unterschied?»

Schnell mal ein bisschen Personalwerbung – bunte Bilder auf der Karriere-Website ersetzen, neue Videos und aufgehübschte Stelleninserate -, ist dann mal die schnelle Schlussfolgerung. Dies ist aber nur kurzfristig gedacht und wird nicht von grossem Erfolg geprägt sein. Zudem schafft dies allein noch lange keine Identifikation mit der Arbeitgebermarke. So ist es wichtig, den Begriff «Employer Branding» nicht nur als reine Kommunikationsstrategie oder Recruiting-Massnahme zu verstehen.

«Gutes Employer Branding geht tief in die Unternehmenskultur hinein.»

Aber wie können sich Unternehmen vom Wettbewerb differenzieren?
Für Unternehmen gilt es, sich nach aussen hin zu öffnen und aktiv zu präsentieren. Dies so authentisch und transparent wie möglich. Auch hier gilt «Internal first» und vor allem die verstärkte Kommunikation nach innen. Oberstes Ziel ist die Identifikation und die emotionale Zugehörigkeit mit der Arbeitgebermarke. Gelingt dies nicht, kann auch nach aussen keine Begeisterung entfacht werden. Stimmt die Aussenwirkung eines Arbeitgebers aber mit der internen Sicht der eigenen Belegschaft überein und zeigt authentisch, wie es wirklich ist dort zu arbeiten, sind die Mitarbeitenden oftmals stärker motiviert Empfehlungen auszusprechen.

Um die Interessenten aber überhaupt zu überzeugen, sich beim potenziellen neuen Arbeitgeber zu bewerben, müssen Bewerberinnen und Bewerber gewisse Fragen bereits im Vorfeld beantwortet haben. Daher muss sich jedes Unternehmen diese Fragen stellen und beantworten können:

«Für was stehen wir? Wodurch unterscheiden wir uns von all den anderen? Was macht es aus bei uns zu arbeiten? Was motiviert uns? Und wohin wollen wir?»

Die Antworten auf diese Fragen bilden den Kern für die Strategie und das Fundament für eine erfolgreiche Positionierung als Arbeitgeber. Hinzu kommt, dass sich das Thema Employer Branding auch immer weiterentwickelt. Themenfelder wie Purpose sowie Diversity nehmen immer mehr Einfluss. Wichtig sind auch die Vernetztheit und der Zugang «24/7» zu Information für uns Menschen. Dies hat schon jetzt einen erheblichen Einfluss auf unsere Entscheidungen und wird auch bei der Arbeitgeberwahl immer weiter zunehmen. Die Gestaltung einer attraktiven Arbeitgebermarke, geprägt durch eine einzigartige Identität, wird also an strategischer Relevanz weiter zunehmen. Entscheidend wird aber sein, wann Unternehmen mit dem Employer Branding beginnen und vor allem wie mutig sie in der Umsetzung sind. Denn endet es im «Einheitsbrei», wird es keine wirkliche Relevanz für die Zielgruppe haben.

Was sind deine persönlichen Ziele in der neuen Funktion bei Farner?
Ich bin nun schon seit über zehn Jahren im Employer Branding, HR-Marketing und Recruiting zu Hause. Nun meine Erfahrung für Kunden von Farner einzusetzen motiviert mich sehr. Unternehmen im Employer Branding zu unterstützen und mit ihnen zusammen eine Arbeitgebermarke aufzubauen, damit sie sich auf dem stark umworbenen Talentmarkt langfristig behaupten können, ist sehr spannend und abwechslungsreich. Ich bin überzeugt, dass wir hier zusammen noch sehr viel erreichen können.

Meine 5 Praxis-Tipps für ein erfolgreiches Employer Branding:

  1. Gutes Employer Branding und eine differenzierende Arbeitgebermarke benötigen Zeit, eine langfristige Strategie und klare Positionierung.
  2. Glaubwürdig bleiben und nichts versprechen, was man als Arbeitgeber nicht halten kann. Nichts ist unglaubwürdiger und schreckt zukünftige Talente mehr ab als eine “unechte Kultur”.
  3. Mutig sein, mit Ecken und Kanten. Nur wenn Sie den Mut haben so zu sein, wie Sie als Arbeitgeber sind, werden Sie die richtigen Mitarbeitenden, die zu Ihrer Unternehmenskultur passen, halten und gewinnen können.
  4. Internal first. Allzu oft wird direkt extern gedacht. Jedoch sollte der erste Schritt in Richtung Veränderung bei den eigenen Mitarbeitenden beginnen, denn sie sind die “Fahnenträger” nach aussen und machen eine Arbeitgebermarke glaubhaft und einzigartig.
  5. Kommunizieren Sie mit Ihrer Zielgruppe und starten Sie noch heute. Denn eine Arbeitgebermarke haben Sie auch schon ohne gezielte Employer Branding Massnahmen. Jedoch wie attraktiv ist diese? Es wird über Sie als Arbeitgeber gesprochen, ob Sie wollen oder nicht. Die Frage ist nur, wie wird über Sie gesprochen? Also sprechen Sie doch lieber mit Ihren zukünftigen Mitarbeitenden und erzählen ihnen, warum es sich lohnt zu Ihnen zu kommen.