ESG und Nachhaltigkeit: Diese Fehler sollten Unternehmen vermeiden

Datum

14/02/24

ESG-Themen stehen im Mittelpunkt vieler Diskussionen. In unserem Artikel erfahren Sie, warum Unternehmen verstärkt auf ESG-Prinzipien setzen und worauf es dabei zu achten gilt. Wir beleuchten, inwieweit die Berücksichtigung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekten nicht nur das unternehmerische Gewissen beruhigt, sondern auch geschäftliche Vorteile bringt und die langfristige Stabilität fördert.

 

Ein Interview mit...

Claudia Herzog-Kamensky ist seit über 30 Jahren in der Kommunikationsbranche tätig und seit September 2022 Director, Head of ESG/Sustainability bei Kirchhoff | Team Farner.

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Die meisten Unternehmen werden behaupten, seit jeher nachhaltig zu operieren. Weshalb hat das Thema ESG in den letzten Jahren an Fahrt aufgenommen?

Lange Zeit lag der Fokus vieler Unternehmen vorwiegend auf ihrer ökonomischen Performance, während die Dimensionen Planet und People im Hintergrund blieben. Dabei wurde das Thema Nachhaltigkeit oft auf Umweltaspekte eingegrenzt. Die Idee der Nachhaltigkeit war aber von Anfang an, das Unternehmen ganzheitlich zu betrachten und jeden Bereich des Unternehmens im Sinne der Nachhaltigkeit zu optimieren. In den letzten Jahren nahm das Thema Nachhaltigkeit deutlich an Fahrt auf, da in den Unternehmen die Erkenntnis reifte, dass es nicht ausreicht, nur die finanziellen Interessen der Shareholder zu berücksichtigen. Der Druck von aussen, auch durch regulatorische Massnahmen, hat Unternehmen dazu bewogen, verstärkt auf Environment, Social und Governance (ESG) zu achten.

Mit ESG haben wir Kriterien, die es Unternehmen ermöglichen, neben den Umweltaspekten auch die sozialen, gesellschaftlichen und administrativen Aspekte bei der strategischen Entwicklung zu berücksichtigen. Zudem ermöglichen die ESG-Kriterien, die Nachhaltigkeitsleistungen der Unternehmen besser zu vergleichen und zu bewerten.

Hat nicht erst der wachsende Fokus auf ESG die negative Entwicklung des Greenwashings provoziert?

Im Gegenteil. Die ESG-Kriterien verhindern das Greenwashing. Denn bei richtiger Anwendung entwickeln die Unternehmen mit der ESG-Strategie klar definierte KPIs und zeitliche Zielvorgaben, an deren Erreichen sie sich messen lassen müssen. Die eigentliche Ursache für Greenwashing liegt wahrscheinlich in fehlenden Leitlinien, die Menschen dazu verleiten, blumige Labels und Versprechungen zu erfinden. Die Lösung liegt darin, sich streng an die Fakten zu halten. Durch transparente Berichterstattung, die einem anerkannten Standard folgt und sich auf Daten und Zahlen stützt, kann die Gefahr des Greenwashings minimiert werden. Sie dient dann gleichzeitig als solide Basis für alle weiteren Kommunikationsmassnahmen zu Nachhaltigkeitsthemen.

Welchen Fehler sollten Unternehmen beim Thema Nachhaltigkeit nicht machen, der gleichwohl immer wieder geschieht?

Ein häufiger Fehler besteht darin zu glauben, dass ein kleines Engagement in der Umweltabteilung ausreicht. Besonders in KMUs wird die Verantwortung für Nachhaltigkeit gerne einer Person übertragen, zum Beispiel einem Umwelt- oder Qualitätsbeauftragten. Selbst wenn dies gelegentlich funktioniert, besteht die Gefahr, dass diese Funktionen überfordert sind.

Stattdessen muss das Thema Nachhaltigkeit von der Leitungsebene getrieben wird. Die Nachhaltigkeitsstrategie sollte integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie sein. Um Nachhaltigkeit erfolgreich zu verankern, bedarf es klar definierter Ziele, Massnahmen und KPIs, die über eine Zielkaskade in die gesamte Organisation getragen werden.

Besonders für Unternehmen, die gerade erst mit Nachhaltigkeit beginnen, ist die Unterstützung der Geschäftsleitung entscheidend. Ohne diese Beteiligung wird es schwer, Nachhaltigkeitsthemen effektiv zu integrieren. Die Führungsebene sollte das Bewusstsein für Nachhaltigkeit fördern und die Entwicklung einer ganzheitlichen Strategie vorantreiben.

Insgesamt zeigt sich, dass der nachhaltige Erfolg eines Unternehmens massgeblich davon abhängt, dass die Nachhaltigkeitsbemühungen von der Spitze aktiv unterstützt und vorangetrieben werden.

Die bürokratische Last wiegt schon heute schwer. Was raten Sie Unternehmen, die nun zusätzlich einen Nachhaltigkeitsreport erstellen müssen?

In Zeiten wachsender bürokratischer Anforderungen ist es für Unternehmen, die einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen müssen, von entscheidender Bedeutung, die Hausaufgaben gründlich zu machen. Unser Rat lautet: Beginnen Sie mit einer umfassenden Bestandsaufnahme, insbesondere in Form einer Wesentlichkeitsanalyse.

Die Wesentlichkeitsanalyse ist das A und O, um die Herausforderungen zu bewältigen. Durch eine sorgfältige Analyse identifizieren Sie die Themen, die für Ihr Geschäftsmodell wirklich relevant sind. Diese Erkenntnisse dienen als Leitfaden für die Ausrichtung Ihrer Nachhaltigkeitsberichterstattung. Der Schlüssel liegt darin, sich auf die Themen zu konzentrieren, die mit Ihrem Geschäftsmodell in Einklang stehen und für dieses von Bedeutung sind.

Indem Sie sich auf relevante Themen fokussieren, können Sie die Berichtsanforderungen einschränken und vermeiden, übermässig breit über ESG-Themen berichten zu müssen. Die Wesentlichkeitsanalyse ermöglicht es Ihnen, gezielt und effektiv über die Aspekte zu informieren, auf die Ihre Geschäftstätigkeit einen echten Einfluss hat.

Ein zielgerichteter Ansatz spart nicht nur Ressourcen, sondern trägt auch dazu bei, einen aussagekräftigen und prägnanten Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen. So wird die bürokratische Last durch eine klare Fokussierung auf relevante Themen effizient bewältigt.

Was versteht sich unter dem neuen Modethema "Green Hushing"?

In der Welt der Nachhaltigkeitskommunikation etabliert sich ein neues Phänomen: "Green Hushing". Anders als beim Greenwashing, wo Unternehmen mehr kommunizieren, als sie leisten, geht es beim Green Hushing darum, Nachhaltigkeitsbemühungen still umzusetzen und bewusst darauf zu verzichten, dies nach aussen zu tragen.

Unternehmen wählen dieses Vorgehen aus verschiedenen Gründen, wie der Vermeidung von Angriffen oder dem Abweichen von Kundenerwartungen. Diese stille Herangehensweise kann jedoch negative Auswirkungen haben, besonders im Hinblick auf die Anziehungskraft für junge Talente und die Identifikation der Mitarbeitenden mit dem Unternehmen.

Die Entscheidung, nicht über Nachhaltigkeitsleistungen zu kommunizieren, kann langfristig nicht nur potenzielle Bewerber, sondern auch Investoren abschrecken. Die authentische Kommunikation der Nachhaltigkeitsbemühungen ist entscheidend, um einen positiven Einfluss auf alle Interessengruppen auszuüben.

Wie gehen Sie vor, wenn Sie eine Nachhaltigkeitsberichterstattung für ein Unternehmen erstellen?

Sich erstmals der Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts zu widmen, kann für Unternehmen eine Herausforderung sein. Während grosse Konzerne oft gut aufgestellt sind und Experten in verschiedenen Abteilungen beschäftigen, müssen in kleineren Unternehmen häufig erst einmal grundlegende Prozesse etabliert werden, zum Beispiel bei der Datenerhebung.

Wir beginnen häufig mit der Durchführung einer Wesentlichkeitsanalyse. Sie hilft dem Kunden, die relevanten Themen zu identifizieren, eine Strategie zu entwickeln und Ziele festzulegen. Daraus lassen sich auch die Berichtsanforderungen in Form von qualitativen und quantitativen Daten ableiten.

Stehen diese fest können wir mithilfe einer Gap-Analyse die im Unternehmen verfügbaren Daten mit den Berichtsanforderungen abgleichen. Wo nötig, helfen wir dem Unternehmen nachzubessern. Häufig sind Daten und Richtlinien schon vorhanden oder Massnahmen werden bereits umgesetzt, nur in einem anderen Kontext. Dies gilt es dann zu identifizieren und Lücken zu schliessen.

Die Kunst der Nachhaltigkeitsberichterstattung liegt nicht nur in der Dokumentation von bereits Erreichtem, sondern auch im offenen Umgang mit den Herausforderungen. Es ist eine Reise, die mit einem klaren Startpunkt und einer schrittweisen Entwicklung beginnt. Die Transparenz und der Wille zur kontinuierlichen Verbesserung sind dabei Schlüsselkomponenten. Nur durch den Mut, den eigenen Weg authentisch zu teilen, können Unternehmen die positiven Auswirkungen ihrer Nachhaltigkeitsbemühungen nachhaltig unterstreichen.

 

Zur Person

Claudia Herzog-Kamensky ist seit über 30 Jahren in der Kommunikationsbranche tätig und seit September 2022 Director, Head of ESG/Sustainability bei Kirchhoff | Team Farner. Zuvor war sie fast zehn Jahre beim Schweizer Spezialchemieunternehmen Clariant. Dort verantwortete Claudia Herzog-Kamensky als Leiterin Team Externe Kommunikation unter anderem Reporting, Medienarbeit, CEO-Positionierung, die Kommunikation in Krisen- und Changeprozessen sowie im Rahmen von M&A-Aktivitäten des Konzerns. Zudem fungierte Sie als Unternehmenssprecherin.