Wieviel Partizipation braucht es im Change?

Datum

16/04/24

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In einem Change-Projekt stellt sich früher oder später die Frage, wie die Mitarbeitenden im Prozess beteiligt werden können. Als Beraterinnen bei Farner Change müssen wir die richtige Balance finden, um eine wirksame Partizipation zu ermöglichen. Dieser spannenden Herausforderung gehen wir aus einer psychologischen sowie soziologischen Sicht im folgenden Blogbeitrag auf den Grund. Wir sind gespannt auf eure Reaktionen.

Antwort 1: Leandra aus Sicht der Psychologie

Mit Partizipation kann in einem Change-Prozess viel bewegt werden. Durch den Einbezug kann bei den betroffenen Personen die Selbstwirksamkeit und das Gefühl von Autonomie positiv beeinflusst werden. Dadurch verringern sich gleichzeitig Gefühle von Hilflosigkeit oder des Widerstandes. Weiter kann durch die Mitwirkung das Engagement der Mitarbeitenden gefördert und auf ein Commitment hingearbeitet werden.

Wie im 1. Blogpost bereits erwähnt, stellen wir uns als Beraterinnen gemeinsam mit unseren Kundinnen und Kunden die Frage, an welchem Punkt und in welchem Format wir die Mitarbeitenden in den Prozess einbeziehen wollen. Dabei wägen wir jeweils ab, wieviel Einfluss wir hier geben wollen. Natürlich wäre es schön, wenn man jede Person in den Prozess einbeziehen könnte. Doch teilweise ist dies einfach nicht möglich. Ein Change-Projekt wird und muss von der Führungsebene vorgegeben und vorangetrieben werden. Warum das so wichtig ist, lest ihr hier.

In der Umsetzung arbeiten wir mit interaktiven Formaten, in welchen wir bspw. in kleineren Gruppen bisherige Entwicklungen und Ergebnisse im Change spiegeln, Feedback einholen und Unklarheiten, soweit möglich, aus dem Weg räumen. So können wir in einem geschützten Rahmen die Partizipation fördern und den Austausch so gestalten, dass sich auch kritische Stimmen ohne Bedenken äussern können. Kritisch eingestellte Personen haben oft spannende Ansätze in Bezug auf den Change und sollten daher auch angehört werden. Dabei achten wir aber darauf, dass Feedback und Input konstruktiv bleiben und nicht einfach nur «geklagt» wird.

Wichtig ist auch, den Mitarbeitenden aufzuzeigen, dass nicht jeder Input zum Change umgesetzt werden kann. Es trägt aber viel bei, wenn wir den betroffenen Personen die Möglichkeit geben, sich zu äussern und einzubringen.

Antwort 2: Cordula aus Sicht der Soziologie

«Wir wollen Betroffene zu Beteiligten machen», höre ich von meinen Kund*innen immer wieder. Grundsätzlich ein sehr gutes Anliegen! Bei einschneidenden Veränderungen, insb. bei Restrukturierungen, ist es aber weder möglich noch wünschenswert, dass alle mitreden. Im Gegenteil: Sinnvolle, an der Strategie orientierte Strukturen zu schaffen, ist ganz klar Aufgabe der obersten Führung!

  • Ich sehe vor allem zwei Gründe, weitere Personen frühzeitig und eng in einen solchen Change einzubinden:
    die Person hat Wissen, das hilft, eine bessere Lösung zu erarbeiten (z.B. besonderes Kunden-Verständnis) oder eine Perspektive, die sonst fehlt (z.B. aus einer zusätzlichen Region)
  • die Person wird massgeblich an der Umsetzung beteiligt sein oder kann als Meinungsmacher*in andere beeinflussen

Führungskräfte – gerade des mittleren Kaders – erfüllen meist beide Kriterien. Wir versuchen daher bei fast allen Veränderungen, diese aktiv im Change-Prozess einzubinden.

Darüber hinaus sollte Partizipation in meinen Augen gut überlegt und dosiert werden:

  • WEN bezieht man ein? Ein «JeKaMi»-Dialog («Jeder kann mitmachen») bringt häufig wenig neue Erkenntnis. Sounding Boards mit kleineren Gruppen können aber helfen, bestimmte Perspektiven (z.B. einer Berufsgruppe) gezielt abzuholen.
  • WANN und WIE? In der Breite erst relativ spät, also zum Start der Umsetzung. Dann lautet die Frage nicht: «Ist diese Veränderung gut für dich?». Sondern vielmehr: «Was brauchst du, um das umzusetzen?».

In der Realität sehe ich leider häufig breit angelegte Prozesse, in die sich angeblich alle frühzeitig einbringen können – während das Ergebnis eigentlich schon feststeht. Diese «Pseudo-Partizipation» ist für die Mitarbeitenden leicht durchschaubar und führt damit eher zu Frust und Ablehnung. Als Faustregel gilt hier: Nur fragen, wenn man die Antwort auch wirklich berücksichtigen kann (und will).

 

Fazit: Wie uns Psychologie und Soziologie helfen, Change gut zu bewältigen

Psychologie und Soziologie bieten wertvolle Einblicke in die Bedürfnisse und Reaktionen der Mitarbeitenden im Change. Transparenz und eine frühzeitige Kommunikation fördern beispielsweise die Akzeptanz bei den Betroffenen. Führungskräfte sind dabei zentrale Akteure, die aber selbst in einem Dilemma gefangen sind. Und mit einer ausgewogenen Balance zwischen Partizipation und Führung kann das Engagement gefördert und Widerstände abgebaut werden. Wir wollen euch also einladen, in eurer Praxis selbst auch psychologische und/oder soziologische Prinzipien anzuwenden und so euren Change erfolgreicher zu gestalten. Zur Unterstützung stehen wir euch bei Farner Change dabei gerne zur Verfügung.

Über die Blogserie «1 Frage – 2 Antworten»

In der Blogserie «Change: Soziologie trifft auf Psychologie» nehmen Cordula Rieger und Leandra Bächler vom Farner Change-Team Stellung zu ausgewählten Fragen rund um Organisationsveränderungen und Restrukturierungen. Sie antworten dabei aus ihrer jeweiligen Fach-Perspektive und auf Basis ihrer Beratungstätigkeit. Das Farner Change-Team begleitet Mandanten aus allen Branchen in anspruchsvollen Veränderungssituationen. Mehr erfahren unter: https://www.farner.ch/de/kompetenzen/change-transformation/